Quecksilber in Fußböden: Problematik, Grenzwerte und Sanierungsmaßnahmen
Quecksilber (Hg) ist ein Schwermetall, das aufgrund seiner hohen Toxizität und Flüchtigkeit in Innenräumen ein erhebliches Gesundheits- und Umweltproblem darstellen kann. Obwohl Quecksilber am häufigsten durch zerbrochene Messinstrumente (z. B. Fieberthermometer, Barometer) in Wohnungen gelangt, ist auch das Vorkommen in Fußböden ein nicht zu unterschätzendes Problem. Insbesondere ältere Fußbodensysteme, die in den 1960er- bis 1980er-Jahren mit bestimmten Polyurethan-Bindemitteln und Additiven verarbeitet wurden, können Quecksilber enthalten und über viele Jahre hinweg gasförmig an die Raumluft abgeben. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die Problematik von Quecksilber in Fußböden, nennt relevante Grenzwerte, beschreibt Maßnahmen zur Ermittlung der Belastung, geht auf gesundheitliche Aspekte ein und stellt mögliche Sanierungsmaßnahmen vor.
1. Herkunft und Ursachen von Quecksilber in Fußböden
- Historische Verwendung
In den 1960er- bis 1980er-Jahren wurden bei der Verlegung von Fußböden – vor allem bei elastischen Belägen (z. B. Polyurethanböden, Sportböden oder Parkettklebern auf PU-Basis) – teilweise quecksilberhaltige Katalysatoren eingesetzt, um das Material schneller aushärten zu lassen. Diese Katalysatoren enthielten oft organische Quecksilberverbindungen, die im Laufe der Zeit in metallisches Quecksilber übergehen und dann langsam verdampfen können. - Ausgasung im Laufe der Zeit
Quecksilber hat einen relativ hohen Dampfdruck, was bedeutet, dass es schon bei Raumtemperatur gasförmig in die Umgebungsluft übergehen kann. Deshalb können ältere, quecksilberhaltige Klebstoffe oder Spachtelmassen auch noch Jahrzehnte nach der Verlegung Emissionen freisetzen. - Typische Indizien
- Auffälliger Geruch in älteren Räumen mit Polyurethanböden oder PU-haltigen Klebstoffen (allerdings ist Quecksilber selbst geruchlos, oft sind es Begleitstoffe).
- Belastungen werden oft erst entdeckt, wenn gezielt Messungen durchgeführt werden, etwa im Rahmen von Sanierungen, Schadstoffbegehungen oder bei Beschwerden über gesundheitliche Probleme.
2. Relevante Grenzwerte und Richtwerte
Für die Bewertung einer Quecksilberbelastung in Innenräumen greifen verschiedene Grenz- und Richtwerte, die sich zum Teil an Arbeitsplatzwerten („Arbeitsplatzgrenzwerte“, AGW) und zum Teil an Vorsorgewerten im Wohnbereich orientieren. Wichtig ist dabei, dass Arbeitsplatzgrenzwerte nicht 1:1 auf den Wohnraum übertragbar sind, da man sich zuhause in der Regel länger und kontinuierlicher (auch nachts) in den Räumen aufhält und vulnerable Gruppen (Kinder, Schwangere) stärker zu schützen sind.
- Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW)
- Laut TRGS 900 (Technische Regeln für Gefahrstoffe) liegt der Arbeitsplatzgrenzwert für Quecksilber (anorganische Verbindungen, Dampf und Aerosole) in Deutschland derzeit bei 0,02 mg/m³ (20 µg/m³) in der Atemluft. Dieser Wert gilt für Erwachsene in Arbeitsumgebungen mit einer in der Regel 40-Stunden-Woche.
- Diese Grenzwerte sind nicht direkt für den Wohnraum konzipiert, geben aber einen Anhaltspunkt, ab wann Gesundheitsrisiken möglich sind.
- Richtwerte für Innenräume
- Das Umweltbundesamt (UBA) und andere Institutionen empfehlen für den Wohnbereich deutlich niedrigere Konzentrationen. Häufig genannten Orientierungs- und Vorsorgewerte für Quecksilber in Innenräumen liegen im Bereich von 0,2–0,3 µg/m³ (also 0,0002–0,0003 mg/m³).
- Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nennt für Langzeitexpositionen in Innenräumen oft Richtwerte von 1 µg/m³ als obere Toleranzgrenze. Jedoch ist das Ziel, so niedrige Konzentrationen wie möglich (ALARA-Prinzip: „As Low As Reasonably Achievable“) zu erreichen, um dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigungen zu vermeiden.
- Bewertung
Grundsätzlich gilt, dass jede zusätzliche Quecksilberbelastung in Innenräumen so weit wie möglich minimiert werden sollte. Schon bei geringen Überschreitungen der Vorsorge- und Richtwerte sollte gehandelt werden, insbesondere in empfindlichen Einrichtungen wie Kitas, Schulen oder Krankenhäusern.
3. Gesundheitliche Auswirkungen
Quecksilber ist ein Neuro- und Nephrotoxin, das heißt, es wirkt vor allem auf das zentrale Nervensystem (Gehirn) und die Nieren schädigend. Bei anhaltender Aufnahme (z. B. durch Einatmung geringer Mengen Quecksilberdampf über lange Zeit) kann es zu folgenden Symptomen kommen:
- Zentralnervöse Störungen: Müdigkeit, Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten, Reizbarkeit, Depressionen.
- Beeinträchtigung des Immunsystems: Erhöhte Infektanfälligkeit.
- Schädigung der Nieren: Erhöhte Eiweißausscheidung, Nierenerkrankungen.
- Störungen des Herz-Kreislauf-Systems.
Besonders gefährdet sind Kinder, Schwangere und kranke oder ältere Menschen, da ihr Organismus empfindlicher auf toxische Belastungen reagiert. Bei sehr hohen Quecksilber-Konzentrationen oder akuter Vergiftung (z. B. Zerbrechen großer Quecksilbermengen) treten schwere neurologische Symptome auf.
4. Maßnahmen zur Ermittlung der Quecksilberbelastung
Um eine mögliche Belastung in Fußböden und der Raumluft festzustellen, sind folgende Schritte üblich:
- Erstbegehung und Sichtprüfung
- Baujahr des Gebäudes und Zeitpunkt der Bodensanierung überprüfen.
- Vorhandensein möglicher PU-Beläge oder -Kleber aus der kritischen Zeit (1960er–1980er-Jahre).
- Sichtbare Schäden oder Risse im Fußboden, Hinweise auf Reparaturen etc. dokumentieren.
- Raumluftmessungen
- Messung der Raumluft auf Quecksilber mittels spezieller Instrumente (z. B. Kaltdampf-Atomabsorptionsspektrometrie, Portable Mercury Analyzer/Lumex).
- Entweder Kurzzeitmessungen (Spot-Messungen) oder Langzeitmessungen (passive Sammler oder pumpenunterstützte Probenahme) zur Bestimmung der Durchschnittsbelastung.
- Materialuntersuchungen
- Probenahme von Klebstoffen, Ausgleichsmassen oder Bodenbelägen.
- Laboranalyse auf Quecksilbergehalt.
- Üblicherweise werden Feststoffproben homogenisiert und mittels RFA (Röntgenfluoreszenzanalyse) oder AAS (Atomabsorptionsspektrometrie) untersucht.
- Bewertung der Messergebnisse
- Vergleich mit den oben genannten Richtwerten.
- Bei Werten, die deutlich über den Vorsorgewerten liegen, ist rascher Handlungsbedarf gegeben.
- Dokumentation der Ergebnisse und Erstellung eines Sanierungskonzepts (sofern notwendig).
5. Sanierungsmöglichkeiten und rechtliche Vorgaben
Wird eine erhöhte Quecksilberbelastung in den Fußböden festgestellt, kommen verschiedene Sanierungsverfahren in Betracht. Die Wahl der Methode hängt von der Konzentration und Verbreitung des Quecksilbers, dem Bodentyp, den Baugegebenheiten und den Nutzungsanforderungen ab. Entscheidend sind zudem die Anforderungen aus der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV), den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) und ggf. weiteren baurechtlichen Bestimmungen.
- Teilweise oder vollständige Entfernung des Bodenaufbaus
- Vollständiges Entfernen von Bodenbelag und Klebstoffschichten ist meist die zuverlässigste Lösung. Dabei müssen alle quecksilberhaltigen Schichten rückstandsfrei entfernt werden, um zukünftige Emissionen auszuschließen.
- Entsorgung als Sondermüll: Quecksilberhaltige Abfälle sind als gefährlicher Abfall zu deklarieren und müssen entsprechend der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) und des Kreislaufwirtschaftsgesetzes entsorgt werden.
- Diese Maßnahme ist sehr aufwendig und kostenintensiv, bietet aber in der Regel dauerhafte Sicherheit.
- Einkapselung oder Abdichtung
- In Fällen, in denen eine vollständige Entfernung nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist, kann eine Abdichtung oder Einkapselung erfolgen.
- Beispielsweise können spezielle Epoxidharze, PU-Harze oder andere dichtschließende Beschichtungen auf den Altbelag aufgebracht werden, um das Entweichen von Quecksilberdämpfen zu minimieren.
- Diese Lösung bedarf einer sehr sorgfältigen Vorbereitung: Risse und Kanten sind zu schließen, die Haftung der Beschichtung muss gewährleistet sein. Zudem ist langfristig zu überprüfen, ob die Dichtschicht intakt bleibt.
- Ausbau und Ersatz
- Bei elastischen Sportböden in Turnhallen oder Fitnessstudios kann es sinnvoll sein, ganze Schichten abzufräsen und durch einen neuen, quecksilberfreien Bodenaufbau zu ersetzen.
- Besonders in öffentlich genutzten Gebäuden (Schulen, Kindergärten) wird der bodenaufwendige, aber sichere Komplettausbau oft bevorzugt, um etwaige Gesundheitsrisiken langfristig auszuschließen.
- Baubegleitendes Raumluft- und Staubmanagement
- Während der Sanierungsmaßnahmen ist darauf zu achten, dass Quecksilberstäube nicht in angrenzende Räume gelangen.
- Abgeschottete Arbeitsbereiche, Unterdruckhaltung und geeignete Lüftungskonzepte sind entscheidend, um die Belastung für das Sanierungspersonal und die Umgebung so gering wie möglich zu halten.
- Personenschutz-Ausrüstung (Atemschutz mit Hg-Filter, Schutzkleidung) ist gemäß TRGS 500, TRGS 900 und TRGS 559 (ggf. weitere relevante TRGS) verbindlich.
- Rechtliche Grundlagen
- Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) regelt den Umgang mit gefährlichen Stoffen und gibt den Arbeitgebern bzw. Auftraggebern vor, Gefährdungsbeurteilungen zu erstellen und Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
- Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS), z. B. TRGS 900 (Arbeitsplatzgrenzwerte) oder TRGS 507 (Oberflächenkontamination) geben konkrete Handlungsanleitungen zum Schutz vor Gefährdungen durch Quecksilber.
- Die Einhaltung dieser Vorschriften ist auch im Rahmen von Bau- und Renovierungsmaßnahmen Pflicht. Eine Verletzung kann zu behördlichen Auflagen oder Bußgeldern führen.
6. Zusammenfassung und Ausblick
Quecksilber in Fußböden ist eine oft unterschätzte Quelle für chronische Innenraumluftbelastung. Obwohl viele Fälle erst durch Zufall – etwa bei Renovierungen oder durch Gesundheitsbeschwerden – aufgedeckt werden, ist das Problembewusstsein inzwischen gestiegen. Mit gezielter Raumluft- und Materialanalyse lassen sich mögliche Belastungen zuverlässig ermitteln.
- Grenzwerte: Während der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) bei 20 µg/m³ liegt, wird im Wohnumfeld ein möglichst niedriger Wert angestrebt (z. B. < 0,2–0,3 µg/m³).
- Gesundheitliche Aspekte: Langfristige Exposition kann zu Schädigungen von Nerven, Nieren und Immunsystem führen. Besonders gefährdet sind Kinder und Schwangere.
- Maßnahmen: Bei hohen Quecksilberkonzentrationen hilft in vielen Fällen nur die Komplettentfernung des belasteten Bodenaufbaus. Wo dies nicht möglich ist, kann eine Abdichtung oder Einkapselung eine Interimslösung sein.
- Rechtliche Rahmenbedingungen: Die Sanierung muss unter Beachtung der GefStoffV und den einschlägigen TRGS erfolgen. Die Entsorgung quecksilberhaltiger Materialien ist als gefährlicher Abfall durchzuführen.
Da die Minimierung von Quecksilber in Innenräumen ein wesentlicher Beitrag zum Gesundheitsschutz ist, sollte bei jedem Verdacht auf quecksilberhaltige Baustoffe (insbesondere in Altbauten und älteren Sporthallen) frühzeitig eine Fachfirma oder ein Sachverständiger eingeschaltet werden. Nur durch fachgerechte Messungen und konsequente Sanierungskonzepte lässt sich ein sicherer und schadstofffreier Innenraum langfristig gewährleisten.
Thomas Georg Bigalke
Parkettlegermeister
öffentlich bestellter und vereidigter
Sachverständiger für Parkett
Telefon: 02831 1344711
E-Mail: info@sv-bigalke.de